Die Schweiz mag gemeinhin für Schokolade, Berge und Präzision stehen, doch wer den Blick über die schneebedeckten Gipfel hinaus wagt, entdeckt Ungeahntes: finstere Kreaturen, Hexenflüche und morbide Schönheit. Dafür verantwortlich ist niemand Geringeres als der Schweizer Comicverlag Skinless Crow, der sich mit einem bemerkenswert starken Horrorprogramm einen Namen macht.
Mit dem ersten Omnibus zu Harrow County von Cullen Bunn und Tyler Crook präsentiert Skinless Crow einen literarischen Schatz, der es versteht, seine Leser in wohliges Schaudern zu versetzen. Dieser Band vereint die frühen Ausgaben der Reihe und besticht sowohl durch seine narrative Dichte als auch durch die unnachahmliche Bildsprache Crooks – eine Komposition, die sich nicht nur für Freunde des Makabren empfiehlt, sondern insbesondere für jene, die sich in der düsteren Jahreszeit gern in Geschichten voller Magie und Morbidität verlieren.
Ein Hexenfluch, der weiterlebt
Die Prämisse von Harrow County scheint aus den Schatten der Folklore selbst emporzusteigen: In einer abgeschiedenen ländlichen Gegend wird die Hexe Hester Beck von einem aufgebrachten Mob gelyncht – ein brutaler Akt, der jedoch die Unruhe nicht bannt. Denn auch nach ihrem qualvollen Tod bleiben ihre finsteren Einflüsse allgegenwärtig. Ihre Kreaturen, gezeugt aus Hexenkraft und Dunkelheit, durchstreifen weiterhin das Land – ruhelos, gequält und doch untrennbar mit ihrem einstigen Meister verbunden.
Jahre später, am 18. Geburtstag der jungen Emmy, beginnt das unheilvolle Erbe, sich zu regen. Emmy, die stets die Beschaulichkeit der Natur und die ländliche Gemeinschaft liebte, muss feststellen, dass sie weit mehr mit der gefürchteten Hexe gemein hat, als ihr je bewusst war. Doch während die Dorfbewohner die Wiederkehr des Bösen fürchten, setzt Emmy alles daran, ihre Fähigkeiten zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen. Ein nobles Vorhaben, das nicht nur bei ihren Mitmenschen auf Skepsis stößt, sondern auch Kräfte von außerhalb auf den Plan ruft, die sich ihr in den Weg stellen.
Gruselästhetik in Vollendung
Was diesen Omnibus so bemerkenswert macht, ist die kongeniale Verschmelzung von Text und Bild. Bunns Erzählkunst, die gekonnt zwischen Episodenhaftigkeit und übergeordneter Dramaturgie wechselt, bietet eine beklemmende Atmosphäre, die sich wie ein schwerer Nebel über die Seiten legt. Tyler Crook wiederum veredelt das Ganze mit einem Artwork, das den Schrecken regelrecht atmen lässt: düstere, erdige Farben, groteske Kreaturen und detailverliebte Splashpages, die sowohl in ihrer Schönheit als auch ihrem Grauen bestechen.
Dieser Omnibus ist nicht bloß eine Sammlung von Geschichten – er ist ein finsteres Märchenbuch für Erwachsene, eine Hommage an die tief verwurzelten Ängste und Mythen, die in der Seele ländlicher Gemeinden schlummern.
Fazit: Ein Meisterwerk des modernen Horrors
Mit Harrow County beweisen Cullen Bunn und Tyler Crook, dass Horror nicht bloß Schock und Ekel bedeutet, sondern vor allem atmosphärische Dichte und emotionale Tiefe. Dieser Omnibus ist die perfekte Einstimmung auf die unheimliche Zeit des Jahres – ein opulentes Fest für die Sinne und eine Mahnung, dass das Böse nicht immer in infernalischem Prunk daherkommt, sondern oft in die Stille der Wälder gehüllt ist.
Ein herzliches Dankeschön an Skinless Crow für das Rezensionsexemplar – und eine dringende Empfehlung an all jene, die sich der Faszination des Unheimlichen nicht entziehen können. Bleibt nur noch zu sagen: Möge Band 2 bald folgen, denn dieses Abenteuer lässt einen nicht so leicht los.
wearecomic.de